Karneval und Steuern: Die Party muss zur richtigen Zeit steigen

Auch wenn sich in der jecken Diaspora wie beispielsweise Berlin Karnevalisten zusammenfinden, ist die „närrische Zeit“ doch insbesondere entlang des Rheins echtes Brauchtum. Wenn in den Epizentren wie Köln, Düsseldorf oder Mainz die Weiberfastnacht den Übergang vom Sitzungs- zum Straßenkarneval markiert, zeigt sich speziell in der telefonischen Erreichbarkeit das ganze Ausmaß: Vielfach wird Donnerstags spätestens ab 11 Uhr der Anrufbeantworter eingeschaltet und erst am Aschermittwoch wieder ausgeschaltet.
Klar, natürlich bleibt da manche Arbeit liegen – aber meist sind das halt nur Routineaufgaben. Außerplanmäßige Mandate durch Karneval ergeben sich in der Nachbearbeitung meist eher für die Vertreter der freien Berufe. Aus der Sicht von Anwälten haben bislang u.a. glitschige Hallenböden, fliegende Süßigkeiten oder abgeschnittene Krawatten zu Prozessen geführt. Steuerliche Themen sind dabei eher selten, aber auch sie gibt es.

Die Sichtweise des Finanzamts:  steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb

Jüngstes Beispiel ist eine Karnevalsgesellschaft (KG) aus Bergisch Gladbach, die seit Ende der 1970er Jahre traditionell am Karnevalssamstag die „Nacht der Nächte“ ausrichtet. Auslöser war die 2009er-Auflage der großen Sause: Denn statt wie gewohnt den ermäßigten Steuersatz anzusetzen, veranschlagte das Finanzamt den vollen Steuersatz. Bei der Party handele es sich um eine Musik- und Tanzveranstaltung, bei der die allgemeine Unterhaltung der Besucher im Vordergrund stehe, meinte das Finanzamt. Daher sei die „Nacht der Nächte“ dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen. Die Narren wiederum zeigten sich mit der Interpretation so gar nicht einverstanden und legten gegen die Bescheide für Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer Einspruch ein, so dass sich beide Seiten vor Gericht wiedersahen.

Das Finanzgericht dagegen: steuerbegünstigtes Brauchtum

Im Sommer 2015 entschied das Finanzgericht Köln zugunsten des Karnevalsvereins und watschte die Sichtweise des Finanzamtes ab. Gerettet haben die KG dabei zwei Faktoren: Zeitpunkt und, sinngemäß, „alles andere“. Zumindest zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch könne es nicht entscheidend darauf ankommen, ob bei einer Veranstaltung gesellige Elemente, Musik und Tanz oder aber typische Elemente einer Karnevalssitzung im Vordergrund stünden, so das Finanzgericht. Außerdem zeichnete sich die Kostüm- und Tanzparty des gemeinnützigen Karnevalsvereins mit allen wesentlichen Elementen klassischer Karnevalssitzungen aus – dazu gehörten u.a. Karnevalsmusik, karnevalistische Tanzdarbietungen (u.a. von den Cheerleadern des 1. FC Köln) und der Aufzug des Dreigestirns. Dem typischen Urteilsstil angepasst transportierten die Richter inhaltlich auch die bekannte Floskel, dass Tradition die Weitergabe des Feuers sei statt die Anbetung der Asche. Konkret: Die Veranstaltung „Nacht der Nächte“ stehe „keineswegs in Widerspruch zum Begriff des ‚traditionellen Brauchtums‘, sondern sei vielmehr Ausdruck dessen.“ Damit handele es sich also nicht mehr um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, sondern um einen sogenannten Zweckbetrieb zur Förderung des „traditionellen Brauchtums“. Gewinne aus diesen Veranstaltungen sind somit von der Körperschaftsteuer befreit und für die Umsätze ist nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % zu zahlen.
Trotz dieser deutlichen Positionierung hat der Senat übrigens die Revision zum BFH in München zugelassen. Jetzt bleibt abzuwarten, ob die unterlegene Seite das Brauchtum höher gewichtet (und es dabei bewenden lässt) oder ob die Aussicht auf mögliche Einnahmen reizvoller ist…
 

Externe Links

Vollständige Entscheidung: 10 K 3553/13