Aphorismen bringen es auf den Punkt, auch dieser: „Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ In diesem Sinne optimieren wir nicht nur ständig die eigenen Abläufe, sondern schauen auch über den Tellerrand. Ein solcher Blick war die Veranstaltung „Forderungstransaktionen im Kontext von Unternehmensinsolvenzen“, ausgerichtet von Debitos. Inhaltlich ging es um aktuelle Rechtsfragen sowie praktische Themen.
Simon Grieser von Reed Smith mit umfangreicher Präsentation
Vor ziemlich genau einem Jahr hatte Debitos schon einmal in Frankfurter Konferenzcenter „The Squaire“ (direkt an der Autobahn A3 bzw. am Frankfurter Flughafen, von manchen auch abgestürztes UFO genannt…) eingeladen. Wo es am 5. Mai 2015 um „Investments in notleidende Forderungen/Kredite“ ging, standen jetzt „Forderungstransaktionen im Kontext von Unternehmensinsolvenzen“ im Vordergrund.
Der Auftaktvortrag über „Kreditportfoliotransaktionen und damit einhergehende Rechtsfragen“ stand bei Dr. Simon Grieser, Rechtsanwalt und Partner des Frankfurter Büros der internationalen Sozietät Reed Smith. Es gebe eine „mannigfaltige Themenbreite, die jedem in diesem Geschäftsfeld treffen kann“, erläuterte er. Die insgesamt 100 Folien die er für das einstündige Zeitfenster mitgebracht hatte, wirkten auf den ersten Blick sehr ambitioniert, waren aber letztlich nur die Basis für eine relevante Schwerpunktsetzung.
Dabei schärfte er auch das Auge für Details, beispielsweise bei der Übersicht über Transaktionsstrukturen, genauer: Er zeigte auf, welche Kreise bei Schiffsfinanzierungen beteiligt sind – neben den „üblichen Verdächtigen“ wie Anlegern, Reeder und Emissionshaus auch Versicherungen und die Schiffsmannschaften. Denn speziell für letztere Gruppe gilt, dass selbst bei erstrangigen Hypotheken immer die Heuer der Besatzung Vorrang hat – solange sie an Bord ist. Außerdem streifte er die Themen Bankgeheimnis, Datenschutz sowie Refinanzierungsregister.
„Wiederholungstäter“ Jochen Rechtmann von Buchalik Brömmekamp
Als „Wiederholungstäter“ war Jochen Rechtmann, Geschäftsführer der Frankfurter Niederlassung von Buchalik Brömmekamp, vor Ort. Mit seinem Vortrag über die „aktuelle Entwicklung im Insolvenzanfechtungsrecht – neueste BGH-Rechtsprechung und Anfechtungsform“ knüpfte er inhaltlich an seinen 2015er-Vortrag an und brachte das Thema auf den aktuellen Stand. Drei Schwerpunkte hatte für das Update im Gepäck: 1.) die Anfechtung bei Ratenzahlungsvereinbarungen, 2.) die Anfechtung bei Beraterhonoraren und 3.) geplante Änderungen des Anfechtungsrechts und ihre Auswirkungen auf die Anfechtungspraxis.
Etwas mehr als die Hälfte der Zeit widmete er sich dem ersten Themenblock, in dessen Mittelpunkt drei BGH-Urteile standen. Anschließend ging es um die Beraterhonorare, die sich um zwei OLG-Urteile und ein LG-Urteil drehten. Hier verwies Rechtmann u.a. auf den Insolvenzverwalter Henning Schorisch, der für Q-Cells von der Wirtschaftskanzlei Hengeler Mueller eine Honorarrückzahlung in Höhe von 4,5 Mio. erstritt (die Berufung ist noch offen). Auch zeigte er kurz „Strategien zur anfechtungsfreien Durchsetzung von Forderungen“ auf. Es gebe mit Titulieren und Vollstrecken, der Leistung durch bonitätsstarke Dritte sowie einer „Kreditprüfung“ (d.h. Einblick in die Kernzahlen) drei sichere Wege. Sich unwissend stellen sei dagegen unsicher und für Banken grundsätzlich keine Option, da sie zuviele Einblick in die Transaktionen des betroffenen Unternehmens hätten.
Die operative Seite: das STP Portal und die Forderungsbörse Debitos
Nach einer kurzen Pause, die eifrig zum fachlichen Austausch bzw. dem lockeren Networking genutzt wurde, ging es nach den eher theoretisch-informativen Ansätzen auf die operative Ebene.
Im dritten Vortrag des Tages stellte Jens Décieux, Geschäftsführer von STP Portal, „Werkzeuge bei der Arbeit mit Unternehmensinsolvenzen – Identifikation und effiziente Verfolgung von Insolvenzverfahren“ vor, namentlich das hauseigene Insolvenzportal. Durch den regulatorischen Rahmen biete sich „kein anderes Verfahren so sehr für Digitalisierung an“, weshalb er von „Insolvenzverfahren 4.0“ spreche. Ausgangspunkt dieser Überlegungen waren das offizielle Portal insolvenzbekanntmachungen.de und Suchmaschinen. Während das eine optisch auf dem Stand der Einführung (2005) sei und Justiz und Gesetzgeber offensichtlich kein gesteigertes Interesse an Usability hätten, seien Services wie beispielsweise Google News zu unstrukturiert. Die eigene Lösung Insolvenz-Portal.de dagegen sammele das Wissen, strukturiere es und sei mit Zusatzfunktionen wie etwas Push-Nachrichten näher an den Marktbedürfnissen.
Zum Einstieg in den abschließenden Vortrag wartete Timur Peters erst einmal mit beeindruckenden Zahlen (auf Crefo-Basis) von Insolvenzen in Deutschland und Europa auf. Die durchschnittliche Falldauer liege bei rund fünf Jahren und kalkuliere man mit durchschnittlich 400.000 Euro pro Insolvenzfall, liege die jährliche Summe bei 60 Mrd. Euro in Europa. Danach stellte der Gründer und Geschäftsführer von Debitos sein Online-Tool vor – einen Zweitmarkt für Insolvenzforderungen, der sich näherungsweise als eine Art „Ebay für Forderungsverkäufe“ beschreiben lässt. Unter der gleichnamigen Domain debitos.de können Unternehmen ihre Forderungen in einem transparenten Auktionsverfahren verkaufen. Insgesamt 1,2 Mrd. Euro an Forderungen gegen Unternehmen und Privatpersonen wurden seit dem Marktstart im Jahr 2012 gehandelt. Wie das konkret funktioniert, wurde in der Case Study „Prokon“ erläutert.
Fazit:
Im engeren Sinn konnten wir keine konkreten Handlungsanweisungen mitnehmen. Aber das war auch nicht das Ziel. Vielmehr wollten wir einmal den Kopf freibekommen vom Tagesgeschäft und den eigenen Horizont erweitern. Das ist soweit gelungen – speziell aus dem Abschnitt mit den insgesamt sechs Urteilen. In diesem Sinn: aus unserer Sicht eine gelungene Veranstaltung.