Falls Sie ein Small Talk-Thema im Rahmen der Europameisterschaft suchen oder demnächst vielleicht einen (potenziellen) Mandanten von einer Insel im Nordatlantik begrüßen: Wir haben hier einen guten Text über das isländische Namensrecht.
Homogene Namen – Trainer als Ausnahme
Es ist zumindest im deutschen eine nette Pointe, dass im Achtelfinale der Europameisterschaft ausgerechnet Kolbeinn Sigthorsson den spielentscheiden Treffer beim 2:1-Sieg der Isländer gegen England erzielt hat. Speziell bei Spielbeginn und der Auflistung der Startelf sowie Ersatzbank wurde den Millionen Zuschauern am Fernsehbildschirm ein anderer landestypischer Fakt offensichtlich: die homogene Namensgebung. Allein in der Startelf waren je zwei Spieler namens Sigurdsson (Ragnar und Gylfi) bzw. Bjarnason (Birkir und Elmar) vertreten und ansonsten endeten auch die Namen der anderen Spieler auf „son“ oder „sson“. Lediglich Trainer Lars Lagerbäck brach aus dieser Logik aus – aber der ist ja auch aus Schweden.
Einem StBVS-Blogger ist das schon früher bei einem Fußball-Turnier aufgefallen. Ausgehend von den Fußballfrauen Islands hat er daher vor rund einem Jahr das isländische Namensrecht als Anlass für Fingerübung im Bloggen herangezogen.
Namensrechtlicher Exkurs mit Sandra Sigurdardottir
Sandra Sigurdardottir (korrekt: Sigurðardóttir) war – hinter Thora Helgadottir und vor Gudbjörg Gunnarsdottir – zweite Torhüterin des isländischen Teams bei der Fußball-EM der Frauen 2013 in Schweden (komplette Übersicht auf de.uefa.com). Und nun unterstellen wir einmal, dass sich Frau Sigurdardottir und z.B. der Schriftsteller Andri Snaer Magnason bei einem geräucherten Schafskopf oder einem fermentierten Hai näherkommen, ineinander verlieben und kurz darauf heiraten.
So weit, so erfreulich, und dies ändert für unseren namensrechtlichen Exkurs zunächst einmal nichts: Frau Sigurdardottir bleibt Frau Sigurdardottir, und Herr Magnason bleibt Herrn Magnason – ein gemeinsamer Familienname ist in Island weithin unbekannt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der Nachname als Teil der Familiengeschichte betrachtet, aber nicht zur Identifikation einer Person herangezogen wird. Selbst der Premierminister wird selbstverständlich und nahezu ausschließlich mit dem Vornamen angesprochen.
Aber zurück zum jungen Glück: 40 Wochen später hat sich die Familie um die Zwillinge Björk und Hjördur vergrößert. Das ist schön, aber nun wird es namensmäßig schon kompliziert, weil alle vier Familienmitglieder einen eigenen Nachnamen tragen. Zu Sigurdardottir und Magnason gesellen sich Andridottir (Andris Tochter, also Björk) und Andrison (Andris Sohn, also Hjördur) – der Nachname setzt sich zusammen aus dem Vornamen des Vaters und dem Zusatz -dottir oder -son.
Anders herum im Telefonbuch
Nun darf Island zu den emanzipiertesten Ländern der Erde gezählt werden, so dass es selbstverständlich auch möglich (wenn auch ziemlich unüblich) ist, sich den Namen der Mutter anzueignen. Wenn wir uns im obigen Beispiel Herrn Magnason also einmal kurz wegdenken, weil sein Verhältnis zu Frau Sigurdardottir, nun ja, spürbar abgekühlt ist oder nie offiziell bestanden hat, dann hießen die Kinder nicht in Ermangelung eines bekannten Vaters stattdessen mit universellem Auffangnamen Storchdottir und Storchson, sondern Björk Sandradottir und Hjördur Sandrason, denn am Prinzip der Namensgebung ändert sich nichts, es bleibt bei der Kombination aus Vornamen des Elternteils plus -dottir bzw. -son.
Das ist nicht unbedingt übersichtlich, und weil bei Hjördur Andrison auch niemand drauf käme, dass es sich um den Sohn von Sandra Sigurdardottir handeln könnte, ist das (am Rande: einzige) isländische Telefonbuch nach Vornamen sortiert – die Nachnamen führen, sofern man sie überhaupt kennt, nur zur Verwirrung. Bei Vornamensortierung stehen Mutter und Sohn zwar auch nicht neben- oder untereinander, aber die Chance, sie zu finden, ist deutlich größer, denn allzu viele Björk Andridottirs wird es in Island nicht geben. Vermuten wir zumindest.
Möglicherweise werden Sie dieses Wissen in den kommenden zehn Tagen der EM nur noch einmal benötigen, wenn sich erwartungsgemäß die Grande Nation Frankreich gegen das kleine Island durchsetzt. Aber wir wollten es mal angesprochen haben und vielleicht haben Sie ja doch einmal einen potenziellen Mandanten aus Island in Ihrer Steuerberaterkanzlei sitzen.
Fußnote
* Abseits: Das Wort Abseits in der Überschrift bezieht sich nicht auf die fußballerische Situation, auch wenn das angesichts des thematischen Aufhängers passen würde. Vielmehr ist Abseits der restringierte Code für „Dies ist ein Artikel (Glosse, Kolumne) abseits steuerlicher bzw. steuerberaterlicher Themen“.