Werden Praxen von Steuerberatern verkauft, gibt es eine Vielzahl von preisbildenden Faktoren (Umsatz, Bruttomarge, Klumpenrisiken bei Großmandanten usw.). Ein häufig unterschätzter, aber für die Bewertung des Mandantenstammes wichtiger Faktor ist die Bereitschaft der Mandanten, gestellte Rechnungen prompt zu bezahlen bzw. Einzugsermächtigungen zu erteilen. Die hieraus abzuleitenden Schlussfolgerungen können dann bei der Bewertung des Mandantenstammes insgesamt zu Auf- oder Abschlägen führen.
Werden Rechnungen im Durchschnitt zügig und ohne Korrekten ausgeglichen, ist das ein Zeichen für:
- Zufriedene Mandanten mit einer belastbaren Mandatsbeziehung
- Geringfügige Bonitätsprobleme in der Mandantschaft
- Einen geringeren Liquiditätsbedarf bei der Praxisübernahme
- Ein funktionierendes Honorarmanagement in der Kanzlei mit geringem Bedarf, zusätzliche Ressourcen dort einbringen zu müssen
Umgekehrt sind schleppende Zahlungseingänge Anzeichen für:
- Latente Unzufriedenheit bei den Mandanten
- Schwache Stellung des Beraters
- Erhöhte Ausfallrisiken bei den gestellten Rechnungen
- Arbeitszeit bindende Organisationsschwächen im Honorarmanagement
- Einen hohen Liquiditätsbedarf bei Kanzleiübernahme
Bewertung des Kundenstammes mit Benchmarking
Zur Beurteilung der Frage, wie ein Mandantenstamm zu bewerten ist, kann ein Benchmarking Hinweise liefern. Es handelt sich hierbei um Erfahrungswerte.
Kriterium | Bemerkungen | Akzeptabler Wert bzw. Bandbreite |
---|---|---|
Summe der unbezahlten Rechnungen im Verhältnis zum Gesamtumsatz | Bei hohem Lastschriftanteil ist der zulässige Wert tendenziell niedriger anzusetzen | 1/8 (= 1,5 Monatsumsätze) |
Anteil des per Lastschrift eingezogenen Umsatzes | Niedrige Werte kombiniert mit hohen Außenständen deuten auf erhebliche Probleme im Honorarmanagement hin | 15-40% vom Gesamtumsatz |
Storno-/Gutschriftsquote im Verhältnis zum Gesamtumsatz | Hohe Werte sind Zeichen von Margen-/Rentabilitätsprobleme in einzelnen Mandaten | 2,5% vom Gesamtumsatz |
Anteil unbezahlter Altrechnungen (Rechnungen älter als 6 Monate) bei aktiven Mandanten | Erhebliche Risiken, geleistete Arbeit nicht bezahlt zu bekommen | 0% bei Dauermandaten, Einzelfallprüfung empfohlen. |
Ratenzahlungen über 3 Monate | Bonitätsrisiken | Gewerbliche Dauermandate: 0% Private Mandanten: 5% |
Bonitätsindex | Anteil bonitätsmäßig akzeptabler Mandanten am gesamten Mandantenstamm, z.B. Crefo besser 350, bei privaten Mandanten Schufa / Infoscore / Crefo-CEG* ohne Negativmerkmale | 90% aller aktiven Mandanten |
* Bei der Einholung von Auskünften sind die berufsrechtlichen Regeln zu Verschwiegenheit zu beachten. Alleine die Offenlegung an einen Unbefugten (z.B. eine Auskunftei), wer Mandant ist, kann eine Verletzung des Mandatsgeheimnisses bedeuten.
Bei einem beabsichtigten Verkauf sollten Schwächen in diesem Bereich zeitnah angegangen werden. Nachhaltige Verbesserungen zeigen sich nach ca. 12-18 Monaten, bei Einschalten einer spezialisierten Verrechnungsstelle häufig schneller nach ca. 6 – 9 Monaten.
Negative Konsequenzen?
Viele Kanzleiinhaber / Partner fürchten sich allerdings aus Angst den Mandanten zu verlieren davor, das Honorarmanagement konsequenter anzugehen. Von wenigen extremen Ausnahmen abgesehen erweist sich die Angst als unbegründet. Die meisten Mandanten wissen, dass Rechnungen bezahlt werden müssen und werden nicht alleine deswegen zu einem anderen Steuerberater wechseln. Kommt es dennoch zum Wechsel, sollte man sich die Frage stellen, ob man für einen Mandanten weiter hätte tätig sein wollen, dessen Verbleib nur mit nicht bezahlten Rechnungen hätte erkauft werden können.
Tatsächlich gewinnen Inhaber und Mitarbeiter Ressourcen für zahlende Mandanten, so dass mittelfristig die sich daraus ergebenden Umsatz- und Renditeeffekte den Umsatzverlust überkompensieren. Darüber hinaus ist es Zeichen positiver Wertschätzung für gute Leistung auch zeitnah bezahlt zu werden. Mandanten, die zum Ausgleich einer Rechnung drei oder mehr Monate benötigen, bringen diese Wertschätzung nicht und fordern viel.