Gestern hatten wir die praktische Handlungsanweisung: „Melden macht frei„. Das galt schon immer beim Militär, aber es gilt auch für Steuerberater, wenn sie im Rahmen des Jahresabschlusses eine mögliche Insolvenzreife entdecken. Im zweiten Teil unseres Beitrags kommt die juristische Ergänzung – das Urteil des BGH, das die vorhergehenden Instanzen revidierte.
Der Steuerberater und die GmbH
Eine später insolvente GmbH beauftragte den beklagten Steuerberater im Jahr 2005, den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2003 zu erstellen. Es folgten jeweils weitere Einzelaufträge für die vier Geschäftsjahre 2004 bis 2007. Dabei wies schon der überreichte Jahresabschluss 2002 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag auf, was auch bei den Jahresabschlüssen so blieb, die vom beklagten Steuerberater erstellt wurden.
Bereits im Mai 2005 will der später beklagte Steuerberater den Geschäftsführer auf das Problem einer bilanziellen Überschuldung hingewiesen haben. Dieser habe ihm daraufhin erklärt, das Problem sei bekannt, es sei eine Kapitalerhöhung geplant und er werde das Problem mit dem Gesellschafter besprechen. Gut zwei Jahre später erfolgte tatsächlich eine Kapitalerhöhung.
2007 wies der Beklagte in zwei Anschreiben darauf hin, dass der GmbH-Geschäftsführer verpflichtet sei, „regelmäßig die Zahlungsfähigkeit sowie die Vermögensverhältnisse der GmbH dahingehend zu überprüfen, ob die Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist und dass keine Überschuldung vorliegt“. Bei der Übersendung des vorläufigen Jahresabschlusses 2007 im Jahr 2009 teilte er mit, dass sich die Überschuldung durch den Jahresfehlbetrag weiter erhöht habe.
Vom Insolvenzverwalter vor LG und OLG
Durch Eigenantrag wurde dann 2009 Insolvenzverfahren eröffnet. , eröffnet durch Eigenantrag, machte der Insolvenzverwalter einen Haftungsanspruch gegen den Steuerberater für einen Insolvenzverschleppungsschaden geltend. Seine Begründung: Die Schuldnerin sei seit Mitte 2005 insolvenzreif gewesen. Die daraus resultierende Forderung: Der beklagte Steuerberater habe sämtliche Schäden seit dem 30. Juni 2005 zu ersetzen.
Das Landegericht (LG) Hamburg wies die Klage ab und auch die Berufung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg blieb erfolglos, weil der Beklagte aus Sicht der Richter keine Pflichten aus dem Steuerberatervertrag verletzt habe.
Aus dem Urteil des LG: Die Aufgaben des Steuerberater richten sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandates. Dabei muss er sich mit den steuerrechtlichen Punkten befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrages zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen des Dauermandates hat er den Auftraggeber über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren. Dazu kommt: Eine Überschuldung ist durch die Aufstellung einer Überschuldungsbilanz festzustellen, die anderen Gesetzmäßigkeiten als eine Handelsbilanz unterliegt und der z.B. mögliche stille Reserven nicht ohne weiteres zu entnehmen sind.
Eine Entscheidung über die Höhe einer möglichen Entschädigungszahlung wurde gar nicht erst diskutiert, weil dem Steuerberater zweimal kein schuldhaftes Verhalten attestiert wurde.
Der BGH revidiert die Vorinstanzen
Der Insolvenzverwalter als Kläger gab sich mit den Urteilen nicht zufrieden und zog vor den Bundesgerichtshof (BGH). In letzter Instanz revidierte dieser das OLG und wies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück.
Der BGH sah den beklagten Steuerberater aus mehreren Gründen eindeutig in der Mithaftung. So waren den Richtern die verschickten Warnschreiben zur Zahlungsfähigkeit in ihrer Menge zu wenig bzw. zu harmlos in der Formulierung. Auch sei die Versicherung des Geschäftsführers, das Problem der bilanziellen Überschuldung sei bekannt und man überlege Kapitalerhöhungen, nicht geeignet, den Beklagten von der Haftung für einen fehlerhaften Jahresabschluss zu entlasten. Die Begründung: Eine vage Ankündigung ohne konkreten sachlichen Gehalt vermag die aus einer bilanziellen Überschuldung folgenden Probleme für eine handelsrechtliche Fortführungsprognose nicht beseitigen.
Und die Moral von der Geschicht‘?
Die logische Konsequenz aus dieser Haltung des BGH hatten wir im ersten Teil schon formuliert: Schadensersatzansprüche lassen sich erheblich mindern oder auch ganz ausschließen, wenn Steuerberater das Mitverschulden des Geschäftsführers an der Insolvenz nachweisen können.
Auch wenn es im Ernstfall auf Kosten eines zukünftigen Mandats geht, sollte dabei eine schonungslose Offenheit an den Tag gelegt werden. Wer Zweifel hat, sollte die potenziellen Einnahmen zukünftiger Mandate der möglichen Haftungssumme gegenüberstellen.
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Wer sich das Urteil in voller Länge anschauen möchte: Es steht als PDF (also nicht barrierefrei) auf der Website des Bundesgerichtshofs sowie als HTMl-Variante u.a. bei Jurion zur Verfügung.