BGH: Vorschuss auch ohne Abrechnung behalten
Vorschüsse sind nach Beendigung des Mandats unverzüglich abzurechnen, das gilt für Steuerberater gleichermaßen wie für Rechtsanwälte. Seit Jahrzehnten waren sich Rechtsprechung und Kommentare weitestgehend einig: unterbleibt eine Abrechnung der Vorschüsse, kann der Mandant alle gezahlten Vorschüsse zurückverlangen.
Das ist „logisch“ im Sinne der Gesetzessystematik, wurde aus den Reihen der Freiberufler allerdings oft als ungerecht empfunden. So konnten nämlich Situationen entstehen, in denen eine Leistung (für die der Vorschuss gedacht war) wegen Verjährung nicht mehr abgerechnet werden konnte, der Mandant konnte aber auf der anderen Seite über mehrere Jahre gezahlte Vorschüsse zurückfordern. Die fehlende Schlussrechnung kostete dann Ernstfall bisweilen vier- oder fünfstellige Beträge.
Der BGH hat diese Konstellationen zwar nicht grundsätzlich beseitigt, aber trotzdem in einem weitestgehend unbeachtet gebliebenen Urteil vom 07.03.2019 (AZ: IX ZR 143/18) die Position der Freiberufler gestärkt:
Verklagt wurde eine Anwaltskanzlei*, die – unstreitig – Honorarvorschüsse vereinnahmt hatte, ohne nach Mandatsende eine Schlussrechnung zu erstellen. Zwischendurch war die Beklagte für die Klägerin in einem gerichtlichen Verfahren tätig, hatte also – ebenfalls unstreitig – Honorare erwirtschaftet, diese aber eben nicht abgerechnet. Nach bisheriger Rechtsprechung wäre es auf die Tätigkeit allerdings gar nicht angekommen und die Anwaltskanzlei hätte die nicht abgerechneten Vorschüsse zurückzahlen müssen – wie auch das Amts- und Landgericht noch in den Vorinstanzen entschieden hatte.
Der BGH hat hingegen festgestellt, dass es für das „Verbrauchen“ des Vorschusses nicht auf eine formell ordnungsgemäße Rechnung ankommt, sondern allein auf die Entstehung des Gebührenanspruchs. Dass ein solcher Anspruch besteht, war – wir erwähnten es bereits – unstreitig. Lediglich mit der Höhe (die wohl sehr streitig war) muss sich nun noch einmal das Landgericht befassen. Anders als in der Konstellation, dass der Anwalt oder Steuerberater sein Honorar einklagt reicht für die Abwehr von Rückforderungsansprüchen also künftig ein fälliger Gegenanspruch, um die Rückforderung des (meist wohl: ehemaligen) Mandanten zu Fall zu bringen und den Vorschuss behalten zu dürfen.
Damit hat der BGH zwar die im Einzelfall bisweilen tragischen Ergebnisse des „Verjährungswettlaufs“ nicht beseitigt. Der vergessliche Freiberufler hat durch den Richtungswechsel allerdings künftig ggf. deutlich höhere Chancen, das verdiente Honorar auch dann zu behalten, wenn eine Schlussrechnung einmal im Eifer des Jahresendgeschäfts übersehen wurde.
*Das Urteil ist aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten von RVG und StBVV sowie des ähnlichen Vertragscharakters praktisch 1:1 auf Steuerberaterkanzleien übertragbar. Der Link zum Urteil:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=IX%20ZR%20143/18&nr=94299